21.12.2022
Eilika Wunder, Gymnasiallehrerin in der Schule am Ried, hielt Ausschau nach „ihren“
Jugendlichen. Sara und Jasmin, Vincenzo, Zlatko und Paul ließen nicht lange auf sich warten.
Vertreterinnen der Initiative Stolpersteine hatten das Banner „Steine gegen das Vergessen“
mitgebracht, Martin Dill von der Initiative ein Mikrofon, einen Verstärker und Musik vom Band.
Philipp Müller, Lehrer an der Heinrich-Kleyer-Berufsschule und ebenfalls in der Initiative
engagiert, begrüßte die Gäste zur Verlegung des Stolpersteins.
Gunter Demnig baute den Stein mit den Daten von Jean Karl Schäfer in das Rechteck ein.
Manfred Dill informierte darüber, dass Jean Karl Schäfer am 16. Dezember 1912 im
Schießgraben 19 geboren wurde. „Aufgrund einer Erkrankung wurde er bereits 1938 in die
Landesheilanstalt Weilmünster eingewiesen. Am 24. Februar 1941 wurde er in die Heilanstalt
nach Hadamar ‚verlegt’ und dort noch am selben Tag im Rahmen der ‚Aktion T4’ ermordet“, heißt
es im Flyer zur Verlegung der Stolpersteine. Der Gymnasiast Paul klärte über die Aktion T4 auf,
die in einer Villa in der Tiergartenstraße 4 in Berlin – daher der Name – geplant wurde: Es ging
um die systematische Ermordung von Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen
Einschränkungen. Bereits im Oktober 1939 mussten die Heil- und Pflegeanstalten Meldebögen
über ihre Insassen ausfüllen. 40 Gutachter entschieden anhand dieser Bögen und ohne die
Patienten je gesehen, geschweige denn untersucht zu haben, wer am Leben bleibt und wer nicht.
Sechs Tötungsanstalten gab es in Deutschland: Grafeneck, Brandenburg, Hartheim (heute
Österreich), Sonnenstein, Bernburg und Hadamar. Zwischen 1940 und 1941 wurden dort mehr
als 70.000 Menschen mit Kohlenmonoxid umgebracht, allein in Hadamar starben auf diese Weise
mehr als 10.000 Männer und Frauen. Der Rauch des Krematoriums in Hadamar war nicht zu
übersehen, der Geruch löste Übelkeit aus.
Nach Ende der Aktion war das Leid der Menschen in den Heilanstalten nicht vorbei, sie
verhungerten oder wurden so vernachlässigt, dass sie starben. Die perfiden Entwickler
industrieller Tötungsmethoden fanden in den Konzentrationslagern schnell wieder eine Aufgabe,
ihre Erfahrungen wurden gebraucht.
Nach diesem Text legten Jugendliche Blumen auf den Stein. Martin Dill übergab Karla Nowak als
Patin des Stolpersteins eine Urkunde. Still setzte sich der Zug in Bewegung, um zur Gangstraße
zu laufen. Im Haus Nummer 7 war am 23. November 1911 Johannes Ludwig Metz geboren
worden. Auch er kam 1941 krankheitshalber zunächst in die Landesheilanstalt Weilmünster. Am
26. Juni wurde er wahrscheinlich mit einem der berüchtigten „Grauen Busse“ nach Hadamar
gebracht und noch am selben Tag ermordet. Nun erinnert ein Stolperstein an ihn.
Philipp Müller bedankte sich bei allen, die zu diesen beiden Gedenkorten gekommen waren. Die
Initiative Stolpersteine Bergen-Enkheim hatte die Verlegung der kleinen Blöcke mit der
Messingtafel angeregt. Die Patenschaft über den Stein für Johannes Ludwig Metz übernahm
Pfarrer Uwe Hahner.
Initiative Stolpersteine Bergen-Enkheim
Frankfurt am Main
Dokumentation
Stolpersteinverlegung - Pressebericht