Gedenkveranstaltung zum 9. November 1938
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PRESSEBERICHT: Der Bergen-Enkheimer, Ausgabe vom17.11.2022
Zum Nachlesen: Im Rahmen der Gedenkzeremonie trug Pfarrerin Kathrin Fuchs folgenden
Auszug aus einer Rede von Alt-Bundespräsident Roman Herzog vor.
Bundespräsident Roman Herzog
Gedenkveranstaltung zum 60. Jahrestag der Synagogenzerstörung
am 9./10. November 1938 am 9. November 1998 in Berlin
Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 gehört zu den schlimmsten und
beschämendsten Momenten der deutschen Geschichte. Natürlich: Im Vergleich zu
dem, was noch kommen sollte, war sie nur ein Vorbote. Aber ihre Geschehnisse waren
auch für sich ein solcher Schlag in das Gesicht von Humanität, Zivilisation und
Anstand, dass wir uns an dieses Datum immer wieder erinnern müssen. […]
Erinnerung und Gedächtnis - das heißt im Zusammenhang mit dem
Nationalsozialismus zuerst: Gedenken an die Opfer. Es bedeutet, die Entwürdigten
wieder ins Recht zu setzen. Es bedeutet aber auch Erinnerung an die Taten und die
Täter. […]
Ohne Erinnerung an Auschwitz - und an all das, wofür es steht und was dazu führte -
kann heute keine politische, ja überhaupt keine Ethik mehr geschrieben werden. Das
Undenkbare ist einmal Wirklichkeit geworden, und damit bleibt es historische
Möglichkeit – überall auf der Welt. Durch Verdrängen, Vergessen, Auf-sich-beruhen-
Lassen werden wir mit dieser Katastrophe der Zivilisation nicht fertig werden. […]
Am heutigen Datum kommen wir nicht vorbei. Die Nacht des organisierten Pogroms
gegen die jüdische Bevölkerung war das deutlichste Signal für die sozusagen
staatsoffizielle Verrohung der öffentlichen Sitten. In der Rückschau wissen wir, dass
das ein Wendepunkt war von der Diskriminierung hin zu Deportation und schließlich
zur Vernichtung. Schon damals waren alle anständig Gebliebenen entsetzt und
fassungslos - und doch fanden nur wenige die Kraft zu
deutlichen Worten oder gar Taten des Widerstands oder auch nur der Hilfe. […]
Das herausragende Kennzeichen des Pogroms waren die in ganz Deutschland
brennenden Synagogen. Hier wurden ganz bewusst ein Tabubruch und ein Sakrileg
inszeniert. Die Respektlosigkeit vor dem Heiligtum, der sich gegen eine Minderheit
austobende Nihilismus und Atheismus waren das unübersehbare Symbol eines
Umstoßens aller Werte. […]
Am 11. April 1944 schrieb Anne Frank in ihr Tagebuch: "Einmal wird dieser
schreckliche Krieg doch vorbeigehen, einmal werden wir doch wieder Menschen und
nicht nur Juden sein." In diesem einen Satz wird deutlich, was die Wurzel der Barbarei
war: Selektion. […]
Jean Paul Sartre schrieb 1944 in seinen "Reflexionen über die jüdische Frage":
"Solange irgendwo auf der Welt ein Jude um sein Leben fürchten muss, kann kein
Franzose seines eigenen Lebens sicher sein". Ich füge hinzu: auch kein Deutscher.
Wenn irgendwo unterschieden, klassifiziert und selektiert wird, kann sich niemand
sicher sein, dass er nicht
eines Tages selbst zu den Ausgesonderten gehört.
Unsere Verantwortung ist es, solche Selektionen nie mehr zuzulassen.
.
Quelle: Bulletin der Bundesregierung 807090
Pfarrerin Kathrin Fuchs bedankt sich bei der Referentin Till Lieberz-Groß für
den Vortrag über die Kindertransporte zwischen 1938 und 1940 und überreicht
ihr ein Exemplar der Druckausgabe der Homepage der Initiative Stolpersteine
Bergen-Enkheim.
Initiative Stolpersteine Bergen-Enkheim
Frankfurt am Main
Datum: 09.11.2022
Zeit: 19:00 Uhr
Gedenkzeremonie
Orte: Platz gegenüber der ehem.
Synagoge in der Conrad-
Weil-
Gasse 6. 30, Bergen
Zeit: 19.30 Uhr Vortrag von
Till Lieberz-Groß über die
Kindertransporte ab 1938
Ort: Gemeindesaal der ev.
Kirchengemeinde Bergen-
Enkheim
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